Tour Tagebuch von Thomas Kruchem

Täglich auch in der Rhein-Neckar-Zeitung

7.Etappe: Geschafft!

Heute, früh um sechs, fallen die täglichen Verrichtungen - Wasser trinken, Gesäss- und Sonnencreme auftragen, Proviant abfüllen - beinahe leicht. Die Morgensonne taucht die wuchtige, durch kein Kaufhaus verstellte Architektur des Kurorts Levico Terme in anheimelndes Licht.

Flugs, mit Tempo 40, geht es durch bezaubernde Hügellandschaft hin zum letzten Pass, zum Monte Baldo: Noch einmal 1.400 Höhenmeter am Stück; noch einmal zwei Kilometer lange Rampen mit 16% Steigung; noch einmal Tretmühle - während die Gedanken schweifen: Von Dramen im hinteren Feld haben uns der Wieslocher Michael Schlechter und der Heidelberger Peter Sandmann berichtet; von Fahrern mit schmerzverzerrtem Gesicht, sieben Tage auf der Flucht vor dem Besenwagen; von gerade auch jungen Fahrern, die den "Transalp" unterschätzten und zu wenig trainierten - während Ältere souverän durchkamen.

Um mich herum mehrere Familien-Teams: Ein vielleicht 25Jähriger schiebt seinen erschöpften Vater fast den ganzen Berg hoch; Ehepartner lassen einander nicht einen Meter abreissen.

Lange und herrliche Abfahrt hinunter an den blau schimmernden Gardasee. Noch ein Moment des Schreckens, als unmittelbar vor mir ein Auto abbiegt. Vollbremsung mit quietschenden Reifen, das Rad steht kurz quer, ich stürze aber auch diesmal nicht. - Schliesslich Schaufahren auf der Seepromenade der Stadt Garda, durch ein Spalier begeisterter Zuschauer. Es ist geschafft: 404 von 463 Teams haben das Ziel erreicht; Schlechter/Sandmann wurden 246., wir, das "Team Biria MBK" 292. - nach 42 Stunden 37 Minuten Bergfahren gegen die Uhr und mit viel Glück: Wir hatten keine ernsthafte Panne. - Was hat's gebracht?

Sicher eine - jenseits des dumpfen Kicks von Drogen und Motorradfahren - sportliche Grenzerfahrung, zielorientierte Quälerei ohne - man glaube mir - Lust am Schmerz; schlicht ein Erfolgserlebnis. - Möglich ist derlei nur mit konsequenter Vorbereitung: Mein Teampartner und Coach Manfred Munk hat mein Training penibel gesteuert und sensibel die Belastung während des Rennens dosiert. Er hat mich - je nach Bedarf - "in den Hintern getreten" oder ermutigt.

Auch die Ausrüstung stimmte. Ich will keine Werbung betreiben, aber das Kohlenhydrat- und Mineralienpulver des kleinen bayerischen Herstellers (und Ex-Radrennfahrers) Nestmann hat uns vor den Darmproblemen bewahrt, die andere Produkte benutzende Fahrer an Aufgabe denken liessen.

Der Gesundheit dient die Strapaze "Transalp" sicher nicht; aber sie setzt konsequent gesunden Lebenswandel und seriös erarbeitete Fitness voraus. "Alter schützt vor Leistung nicht", hat uns der Regensburger Leistungsdiagnostiker Erik Becker gesagt. "Wer mit 55 regelmässig Sport zu treiben beginnt, kann noch bis ins hohe Alter Leistungen erbringen, die manch 30Jährigen erblassen lassen; und er fühlt sich weit besser als der Nachbar zwischen Bierflasche und Fernseher." - Angst vor dem Alter? - Nein, danke.


6.Etappe: Nasser Haertetest

Am Donnerstagabend Optimismus, nachdem gerade sechs Paesse und 3.500 Hoehenmeter ueberstanden waren. Dann der morgendliche Blick aus dem Fenster: Es regnet Bindfaeden im 1.600 Meter hoch gelegenen Wolkenstein; und es ist bitter kalt. Manfred Munk zieht alles an, was er hat; er hat sich schon in Brixen eine Erkaeltung eingefangen; ich habe meine Ueberschuhe zu Hause vergessen.

Prompt sind die Fuesse schon am Start nass. Aber wir und viele andere scherzen nur ueber den Wettergott, der uns den Tag versauen will. Spaet habe ich gelernt: Es haengt von der Einstellung ab, wie einen das Wetter beeintraechtigt.

Auf der Steigung zum Sellajoch (2.240 m) fliesst uns das Wasser in Baechen entgegen. Aber die Steigung ist maessig; und sowieso habe ich heute das Gefuehl, dass mich nichts mehr erschuettern kann. Beine und Puls sind okay; alle fuenf Minuten wird das Sitzfleisch durch eine Minute Wiegetritt entlastet. Meinen 13 Jahre juengeren Coach und Partner schicke ich voraus; er soll auf dem Gipfel Kaffee trinken.

Entzuecken, als oben der Regen aufgehoert hat. Jetzt gilt es nur, auf 16%igen Serpentinen die glitschige Mischung aus Wasser und Kuhfladen zu meistern. Zur Abwechslung tun mir mal die Finger weh - vom staendigen Bremsen.

Im Tal kommt die Sonne raus, die satt gruene Landschaft und die Architektur gewinnen mittelmeerischen Charakter. Manfred faehrt uns an eine gute Gruppe heran. Und in rasendem Tempo sabotieren wir italienischen Verkehr. Die Carabinieri verursachen uns zuliebe kilometerlange Staus; wir ignorieren rote Ampeln, druecken den Gegenverkehr nach rechtsaussen, fallen wie die Heuschrecken ein in anmutige Staedtchen wie Vigo di Fassa und Cavalese, geniessen bei Tempo 55 den Jubel Tausender am Strassenrand. So macht Radfahren Spass.

Es folgt die Busse - der Manghenpass: von 817 auf 2047 Meter. Wer hat dieses verdammte, kaum zwei Meter breite Waldstraesschen gebaut, dessen Steigung ueber neun Kilometer nie unter 11% sinkt? "Kopf abstellen" kommandiert Manfred. Die Vorstellung, was noch wartet, saugt, via Psyche, die Kraft aus den Beinen. Der Schweiss fliesst in Stroemen, besonders beim eingemummten Manfred; und wie so viele Mitfahrer weiss auch ich zeitweise nicht mehr, wie ich die Kurbel weiter herumwuchten soll. Aber jetzt noch aufgeben?

Die Abfahrt ueber 1.600 Hoehenmeter hinunter nach Levico Terme entschaedigt fuer alles. Wir rauschen vorbei an Oel-, Zitronen- und Orangenhainen, auf zypressengesaeumten Strassen hinein in den traditionsreichen Kurort, ueberqueren bei strahlendem Sonnenschein die Ziellinie. - Jetzt noch eine Etappe!


5.Etappe: Jetzt hilft nur noch Fatalismus.

Morgendlicher Blick in den Spiegel. Ein Gespenst starrt mir entgegen - trotz neun Stunden Schlaf. Das Leben neben dem Radfahren hat sich reduziert auf die Pflege des malträtierten Körpers: Nachschütten von Energie in den gar nicht erfreuten Magen-Darm-Trakt; Massage der kurz vor dem Streik stehenden Beine; Cremung des unentwegt brennenden Sitzfleisches.

Die Dolomiten-Etappe heute ist für besonders Hartgesottene: sechs Pässe - unter ihnen Passo Valparola (2.229 m), Passo Giau (2.229m) und Grödnerjoch (2.137m), insgesamt 3.498 Höhenmeter auf 126 km sind zu bewältigen. "Beissen" sagt Manfred als ich trübe auf die verhangenen Almen des Startortes St. Vigil blicke.

Der Weg zum Passo Valparola führt geradewegs in die Wolken, die aber immer wieder den Blick auf imposante Felstürme freigeben. - Ich sehe, aber erlebe es nicht. Fatalistisch habe ich mich damit abgefunden, dass der Puls nur noch gelegentlich die oberen Bereiche freigibt und meist um 145 dümpelt. Süße Energiedrinks und -gels, Bananen und Trockenobst kann ich nicht mehr sehen.

"Fahr mein Tempo", sagt Manfred. "Nörgel nicht, quäl Dich." Dann gibt er mir den Rest seiner Verpflegung. Ich sehe einen schwer bandagierten Mitfahrer und leide etwas weniger.

Zum zweiten Mal heute 2.229 Meter: der Passo Giau; Essstopfritual. Zur Abwechslung fahre ich eine riskante Abfahrt. Auf halbem Weg zum Passo Campolongo, kurz hinter einer nervenden Baustelle, mache ich nochmals meinem Frust Luft und rase an einem vielleicht 400 Meter langen Anstieg an 30 konsternierten Mitfahrern vorbei - von denen mich etliche später wieder einsammeln.

Das Grödnerjoch zeigt alpinen Tourismus als Karrikatur: auf den Gipfel geklotzte Riesen-Restaurants und Autoschlangen verstellen das großartige Panorama. - Ach ja, heute habe ich, da Manfred - bis auf einige "Ausreisser" - Tempo Ess- und Trinkmengen bestimmt, keinen echten Einbruch; den eher unauffälligen Anstieg zum Joch schaffe ich, indem ich brav an des Partners Hinterrad klebe. Und auch auf der Schlussabfahrt nach Wolkenstein erwischt uns kein Auto.

Minuten nach unserer Ankunft: ein Wolkenbruch; die zu spät Gekommenen bestraft der Regen. Das Team "Biria MBK" hat sich nach sieben Stunden 13 Minuten vom 290. auf den 288. Platz verbessert.


4.Etappe: Tag der leeren Akkus

Frühmorgens stolpere ich die Treppe zum Speisesaal wie auf Eiern hinauf. Nach unruhiger Nacht bin ich mit flauem Magen aufgewacht; die Beine schmerzen. Fast 18 Stunden Bergfahren gegen die Stoppuhr in drei Tagen fordern ihren Tribut vom alternden Körper: Die Energiespeicher laden nicht mehr schnell genug auf; der Körper zehrt zunehmend von der Substanz. Kein Wunder, dass ich am Frühstückstisch in ausgebrannte Gesichter blicke; kein Wunder, dass von 463 gemeldeten Teams am Dienstag abend nur noch 372 in der Wertung waren; Manfred Munk und ich, das "Team Biria MBK" auf Platz 285.

Gleich nach dem Frühstück beginnt unter strahlend blauem Himmel der längste Anstieg des "Jeantex Tour Transalp" 2004: über 1.400 Höhenmeter zum 2.000 Meter hoch gelegenen Würzjoch. Die Steigung ist mäßig; und zunächst bleibt mein Puls brav im Sollbereich. Kurz vor dem Gipfel oberhalb dichter Tannenwälder jedoch Alarm: Der Puls steigt nicht mehr über 145; der Körper hat die Kohlehydradspeicher weitgehend verbraucht; ich muss im "Fettstoffwechsel" fahren. "Essen, Essen", sagt Manfred und drückt mir Hochenergieriegel in die Hand. Auch andere Teams haben Probleme: Hier schiebt einer seinen erschöpften Partner; dort wartet einer nervös.

Hoffen auf Erholung während einer traumhaften Abfahrt auf frisch geteerten Straßen. Carabinieri halten Kreuzungen in idyllischen Dörfchem wie Zwischenwasser, Moos und Reischach für uns frei; trotzdem gilt es auf den mit und gegen uns fließenden Verkehr zu achen. Übrigens: Italiener hupen Radfahrer weit weniger zusammen als Deutsche.

Dessen ungeachtet stockt mir mehrfach der Atem, als Wahnsinnsradler mit fast Tempo 100 an mir vorbei rauschen. Einige sehen wir später beim Krankenwagen. An die 50 Fahrer müssen schon gestürzt sein.

Unser Station der Leiden heute, der Furkelpass, ist nicht besonders hoch, aber hochgiftig. Wie soll ich mit meinem immer noch störrisch niedrigen Puls die bis zu 1,5 km langen Rampen mit 19% Steigung bewältigen? - "Vergiss den Pulsmesser", sagt Manfred; ich fahre stoisch im kleinsten Gang mit Wiegetritt hinter ihm her - mit zeitweise 8 km/h. Und, oh Wunder, es geht. Gerade noch rechtzeitig hat der Körper ein wenig der auf dem Würzjoch reingestopfte Pampe in Energie umgesetzt.

Erlösende Abfahrt ins Dorf St. Vigil, auf der aber wieder einige stürzen. Der 4. Tag mit 3.178 Höhenmetern ist geschafft - zwei Stunden neun Minuten vor dem Besenwagen. Am Donnerstag warten 3.498.


3.Etappe: Auf dem Dach des "Transalp"

Die Nervosität war schon bei der Pasta-Party am Montagabend zu spüren: Sarkastische Witze kaschieren pure Angst. "Morgen kommt die Psyche zum Tragen", sagt mein Team-Partner Manfred Munk, während wir einer Bäuerin beim Heumähen zuschauen.

Start in Sölden mit begeisterter Anteilnahme der Bevölkerung; und gleich geht's hoch - auf's Timmelsjoch:1.300 Höhenmeter auf ordentlich, aber nicht extrem steiler Straße. Wir lassen die Bilderbuchlandschaft des Ötztals hinter uns, die Baumgrenze, die letzten Almen.

Jeder ist auf sich konzentriert, versucht seinen Rhythmus zu finden. Meiner liegt bei Puls 158 über fast zwei Stunden; als die Luft dünner wird, beiße ich; Manfred fährt wie stets locker. Schließlich rechts und links vier Meter hohe Schneewände, eisiger Wind: das Timmelsjoch auf 2.509 Meter Höhe; Italien ist erreicht.

Kurzatmig stopfe ich ein paar Bananen, Trockenpflaumen, Kohlehydradgel in mich hinein, fülle die Flaschen auf, beginne zu frieren. Eine Abfahrt von zwei Höhenkilometern über holprige, teils unbefestigte Piste, jenseits derer der Abgrund gähnt. Tauwasser fließt über die Piste, die Tunnels sind fast unbeleuchtet; sekundenweise praktiziere ich Blindflug.

Unten sind die Beine durchfroren, beinahe taub - und jetzt, im Dörfchen St. Leonhard, beginnt der eigentliche Ernst dieser Etappe - der Anstieg zum Jaufenpass von 600 auf 2.050 Meter Höhe.

Überraschenderweise finde ich auf zunächst moderater Steigung meinen Rhythmus - aber nur bis zur Baumgrenze. Dann erkenne ich: Dieser Pass ist ein Sadist. Unverfroren zeigt er seine Krallen: endlose Serpentinen durch's Felsgebirge, die erst viele hundert Meter über uns enden.

Mein Puls geht nicht mehr richtig hoch; der Körper, der heute 6.000 Kilokalorien verbraucht, bekommt nur noch stockend Nachschub aus Glykogenspeichern und Fettreserven. Manfreds Ermutigungen und ein autosuggestives "Ich will, ich will; auch die anderen leiden" treibt mich schließlich doch noch auf den zweiten Gipfel dieser, laut Veranstalter, schwersten Etappe.

Der Rest ist Kür. Auf breiten Straßen geht es hinunter - in eine sonnenüberflutete Landschaft aus Weinbergen. Wir finden eine Gruppe, mit der wir - leicht erholt - eine halbe Stunde lang Tempo 45 bolzen. In Brixen - das wie kaum ein europäischer Ort seinen mittelalterlichen CHarakter gewahrt hat - ist das Ziel erreicht - nach 126 km und über 3.216 Höhenmetern. Anderthalb Stunden vor dem "Besenwagen" sind wir, die wir zwischenzeitlich das Schlimmste befürchteten, angelangt; erster Stolz auf das bislang Erreichte stellt sich ein. Morgen aber warten erneut 3.178 Höhenmeter.


2.Etappe: Tag der Rampen

Aufstehen um sechs, bleierne Beine. Die 142 Kilometer und 2.521 Höhenmeter von gestern stecken in den Knochen. Heute sollen es nur 118, aber wieder 2.500 Höhenmeter werden.

Beim Start im Ski-Mekka Ischgl regnet es. Wir haben uns angezogen wie zu einer Ausfahrt im Heidelberger Februar. - 20 km geht es bergab mit einem 43er Schnitt - das, was wir gestern bei Gegenwind hinauf gestrampelt sind.

Dann urplötzlich Bilderbuchwetter - und die Rampe nach Tobadill, Steigung bis zu 18%. Zum Glück geht es nur auf 1.152 Meter; und Zeit muss sein für einen kurzen Plausch mit den netten Frühstücksgenossen von gestern. Sie sind richtig gut; und ein anderes Team (63 und 64), über das ich später berichte, ist noch besser.

Nach der Abfahrt einige flache Kilometer, auf denen sich prompt wenige Meter vor uns ein Massensturz ereignet. Knapp umkurven wir das Knäuel aus Rädern und Menschen. Zum Glück hat die Tour-Leitung medizinische Betreuer über die ganze Strecke verteilt.

Pillerhöhe. Welches Auto kommt da hoch? Viele schieben; ich bemühe mich, nicht nach hinten vom Rad zu fallen. Schmerzen; aber der Puls stabilisiert sich bei 165. "Das kannst Du fahren", hat Manfred Munk gesagt. Und deshalb verzweifle ich nicht.

Nach 900 qualvollen Höhenmetern aufwärts eine komfortable Abfahrt; und es geht durch alpinen Dschungel; auf schmalen Waldsträßchen, vorbei an Bächen und bizarren Felsformationen. Wenn nur die ewigen Rampen nicht wären. Entschädigung bieten die flotten Kilometer durch's Ötztal nach Sölden - zumal Manfred als mein Schrittmacher wieder einmal etliche Gruppen "einsammelt".

Die Platzierung etwas schwächer als gestern. Aber wir wollten uns ein paar "Körner" aufheben. Denn morgen geht aufs Dach des "Tour Transalp".

Schönen Gruß übrigens von zwei Mitfahren, dem Heidelberger Peter Sandmann und seinem Partner Michael Schlechter aus Wiesloch.


1.Eappe "Harter Einstieg"

Es fängt ganz harmlos an. Bei angenehm bewölkten Wetter startet die 1. Etappe des "Jeantex Tour Transalp" im iyllischen Oberammergau. Über fast 60 Kilometer radeln wir vor einer Kulisse schneebedeckter Gipfel durch hügeliges Talgelände. Das Fahren macht Freude; es gibt Zeit, Bekanntschaften zu schließen. Zum Beispiel mit dem jungen "Team Jerualem", das aus Israel angereist ist.

Rennfahrer aus 18 Nationen nehmen teil - unter ihnen Malte Urban, deutscher Crossmeister und 2003 Teamkamerad von Jan Ullrich; aber auch ein netter 60-Jähriger aus Frankfurt, den wir beim Frühstück kennen gelernt haben.

"Quatsch nicht so viel", sagt Manfred - und hat recht: Bei Kilometer 63 beginnt der beinharte Anstieg zum 1.900 Meter hohen Hahntennjoch. Die erste Hälfte bis zur Verpflegungsstation geht noch; dann beginnen schier endlose Kehren mit 12 Prozent Steigung. Mein Ziel, mit maximal Puls 165 zu fahren, wird hinfällig. Dauerpuls 172 zeigt das Gerät; und die Beine brennen. Neben der Strecke liegen die ersten Opfer dieses "Transalp" im teils schneebedeckten Gras.

Eine mörderische Abfahrt auf rissigem Beton; die Bremsen laufen heiß. "Es ist fast geschafft", denke ich. Aber: Irrtum. Auf den letzten 30 Kilometern bläst uns - bei ständig mäßigem Anstieg - ein demoralisierend steifer Wind entgegen. Jetzt kommt Manfreds Stunde. Ausschließlich er fährt im Wind; mehrfach überholen wir Gruppen.

8 Kilometer vor dem Ziel: Manfred rollt wie ein Uhrwerk; ich beisse die Zähne zusammen, verfluche den Windgott. Schließlich: Ischgl, Viele Hotels in faszinierender Landschaft, das Ziel. Zu unserer Überraschung haben wir uns in der vorderen Hälfte des Gesamtfeldes platziert. Aber was kommt morgen?


50mal auf den Königsstuhl Zwei Mauermer beim "Tour Transalp" für Radrennfahrer

In sieben Tagen 850 km und 20.000 Höhenmeter - ein Abenteuer, auf das sich ab diesem Sonntag die Mauermer Thomas Kruchem und Manfred Munk einlassen. Die beiden bilden als "Team Biria-MBK" eins von 500 Teams beim diesjährigen "Jeantex Tour Transalp" von Oberammergau an den Gardasee. Der "Transalp" gilt als weltweit härtestes Etappenrennen, das für jedermann offen ist.

"Bis vor zwei Jahren habe ich kaum Sport betrieben", berichtet Kruchem. Dann jedoch eröffnete der TV Mauer sein "Radteam"; und alsbald radelte der fast 50jährige Journalist mit bis zu 40 Gleichgesinnten durch Odenwald und Kraichgau. Heute zählen die Rot-Blauen aus Mauer zum Straßenbild des Kreises.

Zu Höherem motiviert wurde Kruchem vom Sportmanager und lizenzierten Radtrainer Manfred Munk. "Du kannst 25-Jährigen den Auspuff zeigen" sagte Munk "Du musst Dich nur ordentlich vorbereiten."

Fast 6.000 Trainingskilometer verordnete der Trainer sich und seinem Partner seit Januar; penibel achtete er auf die stets richtige Drehzahl; der Regensburger Leistungsdiagnostiker Erik Becker, Sohn des langjährigen Jan-Ullrich-Trainers Peter Becker, nahm die Feinabstimmung vor.

Heute glauben sich die beiden Mauermer gut vorbereitet auf den "Transalp". Trotzdem stellt sich Kruchem, Vater von vier Kindern, bisweilen Fragen: Habe ich meiner Familie mit dem Training nicht etwas viel zugemutet? Schaffen Körper und Psyche die Passanstiege noch? Wie reagiere ich auf glühende Hitze, Schneeregen und dünne Luft? Da bei diesem Bergrennen gegen die Uhr nur der jeweils zweite jedes Teams gewertet wird, hilft - so Kruchem - vielleicht nur eins: "Manfred, nimm' die Abschleppstange mit."

Thomas Kruchem und Manfred Munk werden in der RNZ ab sofort täglich Ihr "Tansalp"-Tagebuch veröffentlichen.